Stefan LieserDie abstrakten Details der Schavener Heide

Kölnische Rundschau,  



Kommern

In seinem Atelier in Kommern-Süd rollt Professor Aladár László Garda großformatige Fotoausdrucke aus: „Sehen Sie, das sind die Variationen des kleinen Eisbildes aus der Schavener Heide!“ Aus der kleinformatigen Vorlage sind großformatige Abstraktionen geworden. Farben wurden hinzugefügt, doch immer noch ist die Ursprungsform des Details zu erkennen. Diese und andere Beispiele seiner Entdeckungsspaziergänge durch die Schavener Heide wird Garda ab dem 4. April und bis Juni in der Mechernicher Rathaus-Galerie zeigen.

Der aus dem heute rumänischen, vormals ungarischen  Erdöszentgyörgy am Karpatenbogen in Siebenbürgen stammende Garda zeigt aber nicht nur Fotos und am Computer hergestellte Abwandlungen und Verfremdungen in der „VariationsLust“ betitelten Schau. Er dokumentiert zugleich eine für ihn besonders reizvolle Ecke seiner Wahlheimat. Nach eintägiger Flucht vor den zunehmenden politischen Schikanen des Ceauçescu-Regimes gelangten er, seine Ehefrau Adrienne und der damals zwölfjährige Sohn 1986 über einen deutschen Freund nach Mechernich. Die Familie erhielt zunächst Asyl, dann den deutschen Pass. Der 66-Jährige lernte Deutsch – er fühlt sich in Deutschland und der Eifel schon lange angekommen. Den Kontakt zu seiner eigentlichen Heimat in Siebenbürgen hat er aber nie abreißen lassen. Eine seiner beiden Schwestern ist noch dort, er besucht sie „alle zwei Jahre“.

Hier hatte Garda als Elfjähriger die Ausbildung begonnen, die ihn zum freischaffenden Künstler machen sollte. 1959 war das, als sein Talent vom Lyzeum für Musik und Bildende Künste in Neumarkt am Mieresch „entdeckt wurde“. Die Eltern meldeten ihren Sohn an. „Morgens wurde für das Abi gebüffelt, am Nachmittag folgte der Kunstunterricht in Theorie und Praxis“, erinnert sich Garda.

1967 war die Schulzeit zu Ende, es folgte die Ausbildung in Tapisserie, Bildgrafik und Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste in Klausenburg. „Als freischaffender Künstler zu arbeiten, das war damals in Rumänien nicht möglich“, so Garda, dessen künstlerischer Lebensweg so in die Zwischendisziplinen aus Angewandter und Bildender Kunst gelenkt wurde. Nach Abschluss der Hochschulzeit war er Mitbegründer der noch heute bestehenden Künstlergruppe „MAMÜ“. Erste Ausstellungen, bis heute sind es in Einzel- und Gruppenschauen um die 50 geworden, folgten. Auch die ersten Arbeitsstellen waren im Zwischenbereich der Gattungen. Zunächst als Designer an der Seidenweberei in Neumarkt am Mieresch, dann, bis zur Flucht 1986, als Kostüm-, Puppen- und Bühnenbildner am „Theater Ariel“ der Stadt. „Das hat mir im Rückblick eigentlich am meisten gefallen. Der Puppenbau zum Beispiel für eine Hamlet-Produktion für Erwachsene. Wir machten damals unseren Kopf vollkommen frei von Spieltraditionen oder Erwartungshaltungen des Publikums.“ Das Ensemble erfand sich seinen „Hamlet“ einfach neu. Projektarbeit, die Garda bis heute zu seinen Stärken zählt. Auch in Deutschland leitete er zwischen 1988 und 1996 zum Beispiel Workshops in Stade, Kommern und auf Burg Zievel. Von 1998 bis 2011 war er alljährlich bei Art Camps in Ungarn, Siebenbürgen und Schweden dabei.

Eine andere Puppenproduktion aus der „Ariel“-Zeit, „Hänsel und Gretel“ für Kinder, wird bis heute am Theater in Neumarkt gespielt. „Ich war 2012 da und habe mir das angesehen“, so Garda. Das Weiterleben seiner damaligen Arbeit über die Jahrzehnte hat ihn tief berührt, das merkt man ihm noch heute an.

Die neue Heimat ist seit 1986 Mechernich. Wie er es in Siebenbürgen getan hatte, machte sich Garda erneut auf die Suche nach einem inspirierenden symbolischen Ort, draußen in der Natur. Als Platz zum Beispiel für Aktionskunst. So entdeckte er die Schavener Heide: „Sie ist für mich heute das, was früher die Brothügel in Siebenbürgen waren.“ Und zeigt auf ein altes Schwarz-Weiß-Bild einer Landschaft mit kahlen Kuppen an der Wand seines Arbeitszimmers. Zu sehen sind Brotlaibe – wenn man sie sehen will.

Beruflich hatte Garda Glück. Von 1990 bis zu seiner Pensionierung 2012 war er Professor für Formenlehre, Künstlerische Techniken und Textilentwurf an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. „Ich war für die der weiße Elefant, den sie suchten“, schmunzelt Garda. Tatsächlich überzeugte wohl sein Multitalent.

„VariationsLust“ wird nun am 4. April in der Mechernicher Rathaus-Galerie eröffnet. In seiner Ausstellung fordert Aladár László Garda die Besucher auf, es ihm gleichzutun: Details und mögliche Sichtweisen in den kleinen Dingen einer spezifischen Landschaft zu entdecken. Eine Entdeckungsreise, die er schon absolviert hat, und die jeder Besucher natürlich nicht nur in der Galerie, sondern auch direkt und für sich in der Schavener Heide selbst unternehmen kann. Es braucht nur den offenen Blick.

VariationsLust“, Aladár László Garda, Galerie im Rathaus, Mechernich,
Vernissage: 4. April, 18.30 Uhr, Laudatio: Jutta Wiedemann, Professorin an der Hochschule Niederrhein.